24.02.2007 Angewohnheiten im Hanare

Vorwort
Bei der Kyudo Übung gewöhnt man sich unbewusst viele falsche Angewohnheiten an und muss diese wiederholend beseitigen. Wenn man ein Problem bzw. eine falsche Angewohnheit in der Form hat, können diese relativ einfach durch Mitori-Keiko, oder Übung vor dem Spiegel, oder mittels Video-Aufnahmen gefunden und korrigiert werden. Aber es ist sehr schwer, selbst falsche Angewohnheiten im Hanare zu finden und diese zu korrigieren, da man diese oft nicht selbst fühlen und/oder sehen kann. Man sagt oft, wenn man alleine übt, bekommt man leicht ein Problem, wenn man zu zweit übt, gibt es Reibung dazwischen, wenn man zu dritt übt, können alle kompromisslos und reibungslos üben. Auch ist es wichtig, bei einem guten Lehrer zu üben, welches die beste Prävention vor falschen Angewohnheiten ist. Wenn man das Problem schnell findet oder gesagt bekommt, kann es relativ einfach und frühzeitig korrigiert werden. Allgemein kann man aber diese schlechte Angewohnheit nicht einfach akzeptieren, wenn man eine hohe Trefferquote hat. Deswegen ist es wichtig eine gute Beziehung zwischen dem Lehrer und dem Schüler zu haben. Hier möchte ich aus meiner Erfahrung über Korrekturmöglichkeiten berichten.

Hayake
Hayake bedeutet, dass man schnell abschießt bzw. man schießt ab ohne ausführliches Tsumeai und Nobiai. Es ist eine von den gefährlichsten Angewohnheiten. Ich habe selbst ca. ein halbes Jahr in meiner Schulzeit damit gekämpft. Damals habe ich egal wie ich geschossen habe getroffen und war nur auf Treffer konzentriert ohne den richtigen Schießregeln zu folgen. In der schlimmsten Zeit kam der Abschuss während des Hikiwake und den vollen Auszug habe ich nicht erreicht. Außerdem gab es keinen, der frühzeitig mir etwas gesagt hätte. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, hatte aber wenig Erfolg, da das Problem schon ein Muskelreflex war. Mein Willen wurde einfach ignoriert. Nach 10 Jahren Pause kam Hayake logischerweise nicht mehr.

Bogen ist zu stark
Es wird empfohlen, einen passenden Bogen zu nehmen. Wenn man zwei gleichstarke Bögen voll ausziehen kann, dann nimmt man einen davon. Aber Anfänger sollte etwas schwächeren Bogen nehmen, um die Form zu stabilisieren. Oft wollen die Männer einen etwas zu starken Bogen, aber man sollte am Anfang geduldig sein. Wenn der Bogen zu stark ist, wird man nur von der Bogenstärke abhängig, ohne Nobiai zu lernen. Diese Schützen bekommen oft Hayake.

Zu viel Verlockung und Ehrgeiz auf das Ziel
Man sollte insbesondere achten, wenn die Trefferquote hoch ist. Man kann selbst nicht gut beurteilen, ob es ein zu hoher Ehrgeiz auf das Ziel oder eine gute Konzentration ist. Es ist sichtbar, wenn Gesichtausdruck sich verändert z.B. Augen werden großer, oder wenn das Zanshin wegen nicht Treffer zu kurz oder schlechter wird.

Falsche Atmung
Die Atmung beeinflusst das Bewegungstempo. Meistens hat man keine Luft und Energie mehr übrig wegen der Überkonzentration bzw. zu vieler unnötigen Anstrengung bis zum Kai. Dieses Problem kommt sowohl geistig wie auch körperlich vor.

Muskelreflex
Durch Übungswiederholung bekommt man mehr oder weniger gute und schlechte Muskelreflexe. Wenn man Hayake nicht mehr selber beseitigen kann, kann diese Angewohnheit vom Muskelreflex herkommen. Obwohl man bewusst mit starken Willen nicht abschießen will, es aber trotzdem passiert, ist es sehr schwer dies zu korrigieren und es ist schon soviel Zeit vergangen, bis man sich an das Hayake angewöhnt hat. Wenn man mit Makiwara-Übung auch noch Hayake bekommt, bzw. nicht mehr bis zum Vollauszug bringen kann, ist es leider schon zu spät.

Allgemein, wenn man sich eilt oder ungeduldig wird, wird Hayake schlimmer. Man sollte mindestens ein halbes Jahr Zeit nehmen, und evtl. Material wechseln. Es ist wichtig, die normalen Schießbedingungen zu verändern. Z.B.:

  • Schießdistanz ändern: Nur Enteki auf 60m zu schießen, ohne Kinteki auf 28m zu schießen. Es ist auch gute Gelegenheit, Nobiai zu üben.
  • Zielscheibe und Schiessdistanz zu ändern: halbe Entfernung mit großer Zielscheibe nehmen. Es wirkt minimierend auf die Verlockung auf dem Ziel.
  • Handschuh zu wechseln: Die Aufmerksamkeit vom Ziel auf den Handschuh zu bringen. Wenn man nur tiefes Torikake macht, bringt es wenig.
  • Bogen zu wechseln: mindestens 3kg schwächeren Bogen, schweren Pfeil und Sehne nehmen. Man braucht mehr Nobiai und körperliche Belastung wird reduziert.
  • Nur Zwille (Ziehgummi) verwenden. Wiederholend vor dem Mato üben bis Hayake beseitigt ist. In der Zwischenzeit kann man versuchen, im Taihai aber mit Zwille Kihontai zu üben.
  • Nur eine Schuss pro Training vor Mato schießen.
  • Wenn das Hayake vom Muskelreflex herkommt und wenn man nicht mehr vor dem Makiwara bis zum Vollauszug erreichen kann, sollte man mindestens 1 Monat Pause machen. In der Pausezeit sollte man geistig vom Mitori-Keiko üben und durch einen anderen Sport die Muskelbalance und Reflexe verändern.

Osoke • Motare
Osoke bedeutet, dass man nicht beim Vollauszug abschießen kann. Motare bedeutet, dass das ideale Schusstiming (Yagoro) verpasst wird und später abgeschossen wird. Diese schlechte Angewohnheit habe ich auch 2 Jahre nach meinem Neubeginn erfahren. Damals habe ich sehr lange Zeit Vollauszug ohne Nobiai gehabt und es kam kein natürlicher Abschuss. Osoke ist sehr schwer zu einzuschätzen. Wenn man durch Verkrampfung oder Angst nicht mehr selbst abschießen kann, obwohl die körperliche Kraft verbraucht hat, ist es sehr problematisch.

Bogenstärke ist nicht angepasst
Wenn der Bogen zu schwach ist, braucht man zu wenige körperliche und geistige Anstrengung. Es ist sicherlich besser als zu viel, aber man kann damit nicht seine maximale Fähigkeit ausnutzen. Im diesem Fall werden nur Muskelkraft verwendet, ohne Koppo (Schießtechnik mit Knochenverbindung) zu benutzen.

Falsche Atmung
Im Kai zwischen zu atmen und keine kontinuierliche steigende Spannung im Bauch und Becken.

Missverständnis zwischen langem und tiefem Kai
Die Auszuglänge bleibt lange Zeit ohne Nobiai (Tada Yatsuka) = zeitlich lang, aber inhaltlich nicht tief.

Körperliche und geistige Verkrampfung
Durch Unsicherheit oder Angst oder instabile geistige Zustand können Körper und Geist Verkrampfungen, und dadurch kommt der Schuss sehr schwer raus. Im diesem Fall werden linke Arm und rechte Hand sehr steif und man muss durch Handöffnung der rechten Hand abschießen. Deswegen kommt Yurumi und Modori kurz vor dem Abschuss.

Es gibt folgende Maßnahme und Korrekturmöglichkeiten;

  • Passende Bogenstärke nehmen
  • Vollauszug bis zum Zanshin und nicht dazwischen Atmen.
  • Vorübergehend Hiku-Yatsuka (sichtbare Auszugsverlängerung im Nobiai) üben.
  • Knie etwas locker halten und im Kai nach oben strecken und mit dieser Körperstreckung abschießen.
  • Kazuya (viel Schießen innerhalb kurzer Zeit) üben. Durch diese Wiederholungsübung wird übliches Tempo geändert.
  • Yagoe (Schreien beim Abschuss) üben. Die kontinuierliche Ausatmung und steigende Spannung am Bauch sind dafür erforderlich und es wirkt gegen geistige Verkrampfung, z.B. Angst oder Unsicherheit.

Chijimi
Chijimi bedeutet, dass die Auszuglänge kontinuierlich zurückgeht und man damit abschießt. Es ist ähnlich wie Yurumi. Es kommt von geistige und körperliche Entspannung. Nach dem Bogenwechsel hatte ich eine Zeit lang Chijimi gehabt. Wenn Kraftbalance und Richtung stimmen, kann man trotz des Chijimis treffen, obwohl es falsch ist. Das Problem bestand schon mit dem schwächeren Bogen, es wurde aber erst äußerlich sichtbar mit dem stärkeren Bogen. Damals hatte ich höhere Trefferquote und deswegen war es sehr schwer zu korrigieren, obwohl es mir schon bekannt war. Es hat logischerweise relativ lang gedauert bis ich es wahrgenommen habe und bis es beseitigt wurde.

Problem mit Tsumeai und Nobiai
Wenn kein ausführliches Nobiai erfolgt, geht der Auszug zurück. Meistens befindet sich Chijimi an der rechten Hand. Wenn man mit den Muskeln ohne Berücksichtigung des Koppo bis zum Vollauszug bringt, ist es sichtbar, dass die Auszuglänge zum Schluss kontinuierlich zurückgeht. Der Bogen wird nicht mit rechter Hand gezogen, sondern von der Mitte auseinander öffnen. Beim Tada-Yatsuka (nur die Auszuglänge halten ohne körperliches und geistiges Nobiai) folgt oft Chijimi.

Koppo folgen
Wenn man wie oben nur mit den Muskeln den Bogen aufzieht und im Kai lange arbeitet, kommt die Auszuglänge zurück durch Ermüdung der Muskeln. Der Muskel sollte die Knochenverbindung unterstützen.

Es gibt folgende Maßnahmen und Korrekturmöglichkeiten:

  • Richtige Auszuglänge lernen. Taguri (ziehen mit rechten Handgelenk) vermeiden. -> nicht nur mit der Muskelkraft aufziehen.
  • Vorübergehend von einer kleinen Auszuglänge anfangen und Hiku-Yatsuka (sichtbare Auszugsverlängerung im Nobiai) üben.
  • Bis zum Zanshin geistig und körperlich kontinuierlich arbeiten.
  • Starkes Tai no Warikomi (Körperschiebung nach vorne) üben.
  • Wie Osoke, Yagoe üben.
  • Leichter Bogen mit schwerem Pfeil und Sehne nehmen, damit Chijimi sichtbar wird.

Yurumi und Modori
Yurumi bedeutet, dass die Auszuglänge kurz vor dem Abschuss kleiner wird. Modori bedeutet, dass dieses schon mehr als einen Zentimeter zurückgeht. Es gibt mehr oder weniger immer kleine Yurumi. Manchmal ist es nur von der Video-Aufnahme sichtbar. Oft kann man sich nicht selbst fühlen. Yurumi befindet sich nicht nur an der rechten Hand, sonder auch an der linken Hand, auch vom geistigen Entspannung.

Hanare mit Modori
Oft sieht man dies beim Anfänger. Wenn man vor dem Abschuss Angst hat, kommen beide Hände zurück zur Körpervorderseite. Wenn man beim Abschuss die Hand aufmacht, kommt die rechte Hand durch Spannungsverlust zurück. Es kommt nicht vor, dass nur die linke Hand zurückkommt.

Wenn nur die rechte Hand zurückkommt, hat man eine einseitige Aufmerksamkeit, auf die linke oder rechte Hand. Es wird zu stark gehalten und deswegen muss man zwangsläufig die Hand öffnen, um abzuschießen. Im diesem Fall verliert man die Spannung am ganzen rechten Arm und es kommt die rechte Hand zurück.

Es gibt folgende Maßnahmen und Korrekturmöglichkeiten:

  • Um den rechten Ellbogen und Arm in die Gegenrichtung des Matos zu führen, kann die Stelle z.B. mit einem Pfeil oder Band von einer dritte Person gezogen werden.
  • Lockeres Torikake bis zum Kai. Möglichst nicht die Hand öffnen. Der rechte Mittel- bzw. Ringfinger sollte beim Torikake locker auf dem Daumen gelegt werden. Um abzuschießen sollte die Druckkraft am rechten Daumen von dem rechten Ellbogen und der linken Hand erzeugt werden.
  • Nicht mit beiden Händen abschießen, sonder durch Körperöffnung abschießen.

Wenn beide Hände zurückkommen, hat man das maximale Nobiai schon vor dem Abschuss erreicht und deswegen muss man eine zusätzliche Bewegung machen, oder man hat Angst, da die Sehne an die Wange oder dem Arm schlägt.

Es gibt folgende Maßnahme und Korrekturmöglichkeiten;

  • Ideale Auszuglänge lernen, nicht zu weit ziehen.
  • Nobiai bis ins Zanshin, als ob man mit rechter Hand eine Trommel schlägt, die rechts neben dem Körper steht.
  • Lernen, daß die Sehne durch Tsunomi no Hataraki und Tai no Warikomi etwas Körperaußen läuft.

Kleines Yurumi beim Abschuss
Allgemein gibt es sehr wenige Leute, die Hayake ohne Biku haben und Yurumi machen. Yurumi kommt oft von der Entspannung des Körpers und/oder des Geistes, oder das Nobiai geht nicht bis ins Zanshin. Man versucht, selbst abzuschießen durch z.B. Handöffnung oder andere zusätzliche Bewegungen. Normalerweis kann man mit Yurumi nicht treffen bzw. ist das Trefferbild instabil, wenn alles andere korrekt ist. Wegen des Yurumis kann z.B. Zielbild oder Dreikreuze unbewusst aber leicht verändert werden. Wenn sie nicht korrekt sind und man trotzdem trifft, ist es ein schweres Problem. Oft trifft man wegen der Korrekturen (Zielbild oder Dreikreuze) nicht mehr, ohne Yurumi zu beseitigen.

Es gibt folgende Maßnahmen und Korrekturmöglichkeiten:

  • Erst Zielbild und Dreikreuze korrigieren und Ursache herausfinden, wo und welche Richtung Yurumi kommt.
  • Video aufnehmen und selbst analysieren -> selbst betrachten und wahrnehmen.
  • Rechts Hand drehen (Hineri) und im Hanare beide kleinen Finger klein und zu machen.
  • Zielsetzung auf Pfeilgeschwindigkeit und Durchschlagkraft.

Biku
Biku bedeutet, dass die Muskeln kurz vor dem Abschuss unbewusst springen bzw. sich bewegen durch Muskelreflexe. Es kommt oft beim fortgeschrittenen Schützen vor. Allgemein gibt es kleine zeitliche Verzögerung bzw. Timingabweichung zwischen Körper und Geist. Man bekommt es oft, wenn die Verlockung und Befestigung auf das Ziel zu stark werden. Der Körper hat Yagoro (Moment des Abschuss) erreicht, aber der Geist ist noch nicht so weit. Wenn Kai und Nobiai lang genug sind und dann kommt Biku, ist es meistens von der Verlockung auf Ziel. Wenn das Kai kurz ist und man bekommt es, ist es ein Zeichen für Hayake. Man versucht, nicht schnell abzuschießen und dadurch reflektiert der Muskel. In diesem Fall braucht man sehr lange Zeit zu korrigieren wie Hayake.

Zum Schluss
Man sollte sich oft vom Lehrer bzw. fortgeschrittenen Schützen kontrollieren lassen und frühzeitig schlechte Angewohnheiten erkennen und beseitigen. Es ist ein guter Schutz dagegen, da dieses Problem später nicht so einfach zu korrigieren ist.

Wie hier geschrieben gibt es groß sichtbare Fehler bis kleine fast nicht sichtbare Fehler. Allgemein sind Hayake und Chijimi schwer selbst zu verändern, wenn die Trefferquote hoch ist. Wenn es eine Tendenz zum Hayake gibt, sollte man möglichst nicht viel schießen. Aus meiner Sicht ist Osoke in bestimmter Zeit nicht schlecht, da es eine Voraussetzung ist, langes und tiefes Kai zu lernen. Natürlich nur, wenn es nicht von geistiger Verkrampfung oder vom Angst herkommt. Wegen der Yurumi wird die Schießform oft schlecht verändert, da man unbewusst den Treffer erzielt.

Hiku-Yatsuka, Hinanu-Yatsuka, Tada-Yatsuka
Hiku-Yatsuka heißt, dass man beim Vollauszug noch die Zuglänge verlängert und damit abschießt. Es ist wichtig am Anfang dies zu lernen. Die Verlängerung der Zuglänge sollte nicht mit beiden Armen folgen, sondern durch Öffnung des Körpers. Aber es ist noch kein richtiges Nobiai. Tada-Yatsuka heißt, dass man die Zuglänge behält und nicht arbeitet. Es ist auch eine Ursache für Chijimi, Osoke und Motare. Man sollte aus Erfahrung wissen, dass die Stabilisierung nur durch Weiterführung realisiert werden kann. Hikanu-Yatsuka heißt, dass die geistige und körperliche Kraft weiterführt und dass es nicht in der Auszuglänge sichtbar ist. Es ist nur Möglich, wenn man ideale Auszuglänge mit der idealen Knochenverbindung gelernt hat und damit richtige Voraussetzung des Tsumeai hat. Durch Übung des Hikanu-Yatsuka resultiert der "natürliche Abschuss".

Probleme kommen oft vom Geist
Viele Probleme im Hanare kommen oft vom Geist (Verlockung auf Ziel oder von der Verkrampfung). Es wird beeinflusst durch die Körperbewegung und durch Wiederholung wird es zu einem Muskelreflex, unabhängig von seinem eigenen Willen. Man sollte wissen und erfahren, warum man höhere Trefferquote vorübergehend verzichten muss und es korrigieren soll. Man kann durch Kyudo Übung nicht nur körperlich, sondern auch richtige geistige Haltung lernen.

Ohne Tsumeai für Hayake und Chijimi, ohne Nobiai für Osoke und Yurumi
Fast alle Probleme kommen vom Unwissenheit oder vom Unausführlichkeit des Tsumeai und des Nobiai. Die Übung des Tsumeai und Nobiai ist ein Schutz gegen diese Probleme im Hanare.

Ich hoffe, daß diese Schreibung dem Leser ein bisschen hilft.